Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Mobbingopfern beistehen - Mobbingopfer werden

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Mobbingopfern beistehen - Mobbingopfer werden

    Hallo,

    ich bin neu hier im Forum und frage mich mal wieder, wie ich einem Mobbing-Opfer beistehen kann, ohne selbst Opfer zu werden.

    Meine Geschichte:

    Ich arbeite in der Wissenschaft (mache meine Doktorarbeit) und habe eine schwache/ziemlich passive Führungskraft über mir sitzen. Das Widerstreben der Führungskraft, Aufgaben zu verteilen, hat dazu geführt, dass es zwischen zwei Doktoranden zu einer Konkurrenz-Situation um die (gemeinsamen) Ergebnisse kam. Der Sachverhalt, dass man die Arbeiten der beiden nicht trennen kann, beide aber "eigene" Ergebnisse zur Promotion brauchen, wurde von der Führung nie als Problem anerkannt. Einer der beiden (nennen wir ihn A) reagierte daraufhin mit Mobbing: Die Arbeit des anderen (B) wurde klein geredet, es wurde behauptet, dass B zu den bisherigen Ergebnissen nicht viel beigetragen habe und vor allem wurde wurde mit B nicht mehr zusammengearbeitet. Alle wissenschaftlichen Ideen und Vorschläge von B wurden als unsinnig abgelehnt; Arbeiten, die B gemacht hatte, wurden unsinnigerweise wiederholt, Informationen wurden von ihm ferngehalten; soziale Isolation etc.

    Die Ursache (Konkurrenz um Ergebnisse) war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar, ich habe nur diese unmögliche Behandlung von B gesehen. Da ich B mochte und seine Arbeit nicht schlecht fand, riskierte ich mein damals gutes Verhältnis zu A und unterstützte aktiv B: wir arbeiteten viel zusammen und ich unterstützte seine (guten) Ideen und Ergebnisse in Besprechungen. Ergebnis: Schon nach kurzer Zeit fand ich mich in der gleichen Isolation wie B wieder.

    B und ich versuchten mehrmals, das Thema auf den Tisch zu bringen, blieben jedoch erfolglos. Die Führung blieb weiterhin passiv, nach dem Motto "es gibt hier kein Problem". Er schwamm eher auf der Gewinnerseite mit, ohne selbst direkt agressiv zu handeln. Die anderen Kollegen schlossen sich entweder dem Mobber an oder blieben passiv. Praktisch hat A die Führung der Gruppe übernommen.
    B hat die Uni vor Fertigstellung der Doktorarbeit verlassen (ist aber neben dem Job noch damit fertig geworden), womit ich plötzlich allein dastand. A hat mit der Zeit ebenfalls seine Doktorarbeit beendet und hat uns "normal" verlassen. Zurückgeblieben ist ein vergiftetes Gruppenklima, in dem unter den Doktoranden jeder jedem misstraut und viel Böses gesagt wird.
    Ich habe mit der Zeit gelernt, mich emotional zu distanzieren, meine Rechte einzufordern und mich aus Anfeindungen halbwegs rauszuhalten und komme damit ganz gut klar - der lange Weg dahin soll aber nicht Thema dieses Eintrags sein.

    Nun ist uns allen klar, dass die Wurzeln des Problems in der Untätigkeit/Schwäche unserer Führungskraft liegt. Die Reaktionen sind verschieden. Einige sagen ihm auch wissenschaftliche Unfähigkeit nach und bemühen sich nach allen Regeln der Kunst, ihn aus ihrer Arbeit rauszuhalten. Das fängt damit an, dass man Ideen nicht mit ihm bespricht oder ihm Informationen vorenthält und geht soweit, dass man sich weigert, mit ihm zum Mittagessen zu gehen. Mobbing eben. Der Betroffene wehrt sich (noch) nicht, was ich aus eigenen Erfahrungen gut nachvollziehen kann.
    Und ich stehe mal wieder daneben und es tut mir weh, das mit anzugucken...

    Vielleicht noch eine wichtige Information: Ich habe zu einem der heutigen Täter ein ähnliche wissenschaftliches Abhängigkeitsverhältnis wie es damals zwischen A und B bestand.

    Welches Verhalten ist in so einem Fall zu empfehlen? Mein Verhalten beim ersten Mal hat niemandem geholfen, weder dem Opfer noch mir...
    Hat jemand Erfahrung damit, Opfern zu helfen? Oder ist euch schonmal jemand beigestanden? Was haben die Helfer getan und wie ist es ihnen ergangen?
    Ich bin dankbar für alle positiven wie negativen Erfahrungen!

  • #2
    AW: Mobbingopfern beistehen - Mobbingopfer werden

    Tja, das ist eben das Problem mit dem Mobbing. Egal ob direktes Opfer oder jemand, der diesem gerne helfen möchte... Gerät man zwischen die Fronten, ist es meist schon zu spät. Wenn dann noch Schwachmaten in der Führungsspitze sitzen kann man ein gutes Ende des Ganzen getrost vergessen.
    Meiner Erfahrung nach verlieren nämlich nicht diejenigen die Mobben, sondern die, welche das Betriebsklima auf Dauer durch schlechter werdende Leistung "vergiften". Denn nicht der Mobber ist es, der plötzlich immer mehr Fehler macht oder durch eine unsichere Arbeitsweise den Kollegen "auf die Nerven" geht. Das es sich dabei eben um ein Mobbingopfer handelt, interessiert in den meisten Fällen niemanden. Und die Personen, die es doch mitbekommen werden sich wohl kaum einmischen, denn jeder braucht seinen Job und man hat viel zu viel Angst, dass man selbst zum Opfer wird. Denn dem "dämlichen Kollegen" droht vielleicht bereits die Kündigung, oder er bekommmt ständig Ärger. Das will man natürlich für sich nicht riskieren.

    Es gibt leider kein Patentrezept, wie man sich dagegen wehren kann. Es ist leider eine Situation, in der man auf die Hilfe von anderen angewiesen ist, aber letztlich will keiner etwas damit zu tun haben.

    Kommentar


    • #3
      AW: Mobbingopfern beistehen - Mobbingopfer werden

      Hallo isireiter,
      ein toller Beitrag von dir und eine sehr couragierte Haltung!
      Leider gibt es zu wenig Menschen, die Mobbingopfern erfolgreich helfen. Aussagen wären eine Hilfe. Wenn mehrere Opfer aussagen, dass Rufmord und Ausgrenzung erfolgt, ist das eine Hilfe. Die Gründe warum nicht geholfen wird, stehen im vorherigen Beitrag.
      Und trotzdem, beziehungsweise gerade deshalb, muss man den Opfern helfen.

      Du jedenfalls kannst weiter in den Spiegel schauen und wirst dich von den Tätern fernhalten, oder? Wer will schon mit so gezielt mobbenden Tätern befreudet sein? Ich jedenfalls nicht! Den Opfern hilft es, wenn sie Personen haben, die auf ihrer Seite stehen, die sie verstehen und empathisch sind.
      Arbeitsrechtlich sollen ja zum Beispiel Mobbing Selbsthilfegruppen problematisch sein, weil man den Namen der Firma nicht nennen darf, sonst drohen Klagen. Also wird das Opfer, wenn es sich denn Hilfe holt nochmal bestraft, weil es keine Zeugen für die Taten hat. Eine Zwickmühle. Ohne Helfer, die mutig ihre Aussage machen, gibt es keine Hilfe!
      Ibag

      Kommentar


      • #4
        AW: Mobbingopfern beistehen - Mobbingopfer werden

        Hallo isireiter,

        versuche, Verbündete und klare Worte zu finden. Selbst wenn die anderen nichts sagen, allein, dass sie Deine Meinung scheinbar teilen, kann Dich schützen und das Opfer stärken.

        Ich hatte jahrelang mit Mobbing zu tun, leide noch massiv unter den Folgen, und im Nachhinein ist das schlimmste für mich eigentlich, dass mir keiner geholfen hat - DAS hat meine Selbstsicherheit ruiniert, mein Weltbild ins Wanken gebracht. Von daher glaube ich auch nicht, dass Du richtig liegst, wenn Du schreibst, dass Dein Verhalten keinem geholfen hat. Wenn Du jemandem beigestanden hast, dann war das hilfreich, auch wenn es scheinbar in der konkreten Situation nichts gebracht haben mag - für das Opfer war es wichtig und gut.

        Bei mir gab es eine Mitarbeiterin, deren Rausgehalten mich in ihrem Fall besonders enttäuschte. Sie hat mir nicht geholfen, sich nicht positioniert - und nachdem ich weg war, ist sie dennoch als nächstes Opfer "nachgerutscht". Gemeinsam hätten wir gegen die mobbende Chefin kämpfen können, jeder für sich hat es nicht geschafft. Von daher ist das Raushalten echt keine gute Idee, für niemanden. Selbst wenn es keine praktischen Konsequenzen zu haben scheint, es ruiniert den Charakter. Wer als Nicht-Helfer nicht total abgebrüht ist, hat (unbewusst) ein latent schlechtes Gewissen, was sich - weil es abgewehrt werden muss - leider mitunter auch noch durch Aggression gegenüber dem Opfer zeigen kann. Das kann dann - da nicht aktiv bearbeitet - auch in der Seele des passiven Zuschauers bleibenden Schaden anrichten.

        Schön, dass Du Dir so viel Gedanken machst und was tun willst, das gibt es selten.

        Gruß
        Weltuntergang

        Kommentar

        Lädt...
        X