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Vom Schatten ins Licht

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  • Vom Schatten ins Licht

    Hallo Community,

    ich möchte euch gerne meine Geschichte erzählen. Nicht weil ich noch Hilfe brauche, sondern um den Leuten zu helfen,
    denen es genauso geht wie es mir ging. Ihr seid nicht alleine!

    Ich war immer ein fröhliches, wissbegieriges, sehr neugieriges, aber auch extrem schüchternes Mädchen.
    Deshalb hatte ich bis zum Ende der Grundschulzeit auch nur eine Handvoll Freunde, welche mich aber nach und nach ersetzte.
    Ich verbrachte meine Nachmittage immer öfters alleine, was mir aber nichts ausmachte.
    Ich genoss die Zeit sogar; konnte endlich lesen, malen, basteln und für mich sein. Mit Kindern in meinem Alter habe ich noch nie viel
    anfangen können, denn ich habe den Umgang mit Erwachsenen mehr geschätzt.

    Voller Erwartungen ging ich also ohne Freunde auf die Realschule. Das Gymnasium wäre auch eine Option gewesen,
    aber da mein Bruder wegsschlechten Noten und schlechtem Umgang -falsche Freunde, falsche Szene, schlechte Lehrer-
    von dort abgegangen ist, hatte ich zu große Angst davor.
    Das war der größte Fehler meines Lebens.

    Am ersten Tag in der neuen Klasse war ich freundlich und höflich zu allen. Ich vermute weil ich die größte war,
    warf mir die zukünftige Anführerin der Klasse (sie war extrem klein) giftige Blicke zu. Dabei blieb es natürlich nicht.
    Ich gestehe, dass ich nie ein girly war. Ich trug lieber bequeme Kleidung, oft Jungsklamotten und machte mir nicht
    viel aus meinem Aussehen, ich sah einfach.. normal aus. Nicht dick, nicht dünn, ganz normal mit Brille auf der Nase.
    Schnell merkte ich, dass ich mit den Mädchen nicht klarkam. Mit ooooh Tokio Hotel und Boy Band ABC, den ganzen
    Lästereien, und Modegequatsche hatte ich einfach nichts am Hut. Schließlich war ich bisher fast komplett mit Jungs
    befreundet, teilte ihre Interessen.
    Als ich dann versuchte mit den Jungs ins Gespräch zu kommen wurde es noch übler.

    Die Mädchen schlossen mich von Anfang an von allem aus, redeten nicht mit mir, lästerten täglich auch teilweise in
    meiner Hörweite über mich, setzten sich weg wenn es nur ging. In den Pausen war ich prinzipiell alleine. Falls sie dann
    doch mit mir redeten, war es um Hausaufgaben abzuschreiben (was ich, als netter Mensch der nur etwas Kontakt wollte,
    auch noch zuließ), oder um mich von der Seite anzublaffen.
    Getoppt wurde das von den Jungs.
    Ich wurde von ihnen beleidigt, ausgelacht und verhöhnt wann es nur ging. Sagte ich nichts, machten sie weiter.
    Sagte ich etwas (nach Monaten) dagegen, zogen sie mich damit noch mehr auf. Ich wurde mit Papierkügelchen
    abgeworfen wenn der Lehrer nicht hinsah.
    Sie gaben mir Spitznamen, die sie in ihre Antworten den Lehrern gegenüber einfließen liesen, was für große Lacher in
    der ganzen Klasse sorgte und sagten mir jeden Tag wie widerlich ich sei.
    So ging das ganze vom Anfang der 5. Klasse bis zum Anfang der 10.. Tag ein Tag aus, non-stop ohne Pause.
    Dass ich keine Freunde haben.
    Dass ich doch daheim bleiben solle.
    Ob ich MoF (Mensch ohne Freunde) mich ritze weil ich immer lange Kleidung anhatte. Was nicht stimmt,da ich kein Blut sehen kann
    Später dann, dass mich niemals einer anfassen würde weil ich so eklig wäre.
    Dass ich im Leben eh nix erreichen werde.
    Dass ich doch eine Klasse überspringen solle, wenn ich Schleimer doch so gut sei.
    Dabei habe ich mich nie gemeldet und war nur so auf den Unterricht fixiert, weil ich etwas lernen wollte und natürlich,
    um die anderen auszublenden. Ich erklärte sogar einem Bekannten 1 Jahr über mir Mathe. Als ich in der 6. Klasse
    zur Schulleitung wegen diesem Vorschlag ging wurde abgeblockt, da mein Bruder nun auch auf die Schule ging
    und für viel Stress gesorgt hatte.

    Die Lehrer bekamen von all dem natürlich nichts mit. Ist ja normal dass eine Schülerin nie etwas sagt, nie lacht, immer
    mehr schwarz trägt und jahrelang alleine ist.
    Vor meiner Familie habe ich es geheim gehalten, da vor allem meine Mutter nervlich am Ende war. Mein Opa war gestorben,
    kurz darauf hatte meine Oma Krebs bekommen, mein Bruder war ein kontinuierlicher Problemfall und mein Vater musste
    krankheitsbedingt in den Ruhestand. Also musste sie sich um alle kümmern und dazu noch einen Vollzeitjob bewältigen.
    Körperlich ging es mir auch immer schlechter. Es hat schon in der 5. Klasse damit angefangen, dass ich oft krank geworden bin.
    Im Durschnitt war ich 4 oder 5 Wochen in der Schule und dann mind 1-2 Wochen krank. Was natürlich wieder eine
    willkommene Angriffsfläche war, da ich Streber trotzdem die besten Noten in der Klasse hatte.
    Ich lag jede Nacht wach und konnte nicht schlafen; sonntags hatte ich so Bauchschmerzen, dass ich meistens wach lag
    bis der Wecker geklingelt hat. Zu Hause habe ich mich in Bücher und Video-Spiele gestürzt, rückblickend eine Sucht entwickelt.
    Online hatte ich Leute mit denen ich über alles Mögliche diskutieren konnte, Politik, Religion, Ereignisse: zu denen ich
    gehörte. Die Schule wurde immer mehr zum Lückenfüller bis ich wieder on sein konnte.

    Wie hat es aufgehört?
    Die Abschlussfahrt nach Berlin, Anfang 10. Klasse. Wie schon im Schullandheimausflug in der 7. wurde natürlich heiß diskutiert
    wer mit wem in welches Zimmer kommt. Was mir schon damals als total abgestumpfter Mensch egal war, wie ziemlich alles
    in der Welt.Aber 2 Tage vor Abfahrt wurde ich von dem Rudelführer der Jungs auf einer lokalen Chatplattform in
    die geheime Klassengruppe ins Forum eingeladen. Als ich dann folgende Dinge gelesen habe (Zitate!)
    "Es gibt nur ein Problem --- XXX "
    "aber wie regeln wir dis wer XXX bekommt.."
    "ja die is echt anders...
    aber laut (Klassenlehrer) ja weiter...*lol*"
    "hm ich denk einfach das mer etz erstmal shcaun was für zimmer wir übe4rhaupt haben und
    hoffen einfach das mer XXX vergessen
    und die wo dann halt mit XXX in n zimmer müssen,
    solln dann halt einfachimmer nur zum schlafen rienund können sich ja ansonsten bei de andren in de zimmr
    aufhalten des is ja denk mal kein problem dann so "

    konnte ich nichtmehr.
    In den 5 Jahren in denen ich jeden Tag innerlich ein wenig mehr verkümmert bin, habe ich nicht einmal geweint,
    nicht ein einziges Mal Gefühle zugelassen. Ich stand auf der Beerdigung meines geliebten Opas und fühlte nichts, außer
    dieser alles überdeckende Leere. Aber an diesem Tag brach alles aus mir heraus. Als meine Mutter mich dann so gesehen
    und den Chat durchgelesen hat, hat sie mich umarmt, ist sie wortlos aus den Raum und hat meiner Schulleitung und dem
    Klassenlehrer nachts den Anruf ihres Lebens gegeben. Ich bin nicht mit nach Berlin und wurde sofort zum 'Schulpsychologen'
    geschickt, der mich dazu drängen wollte die Schule zu wechseln. Im Abschlussjahr. Später habe ich erfahren, dass ich nicht
    die einzige war der es auf der Schule so ging und die auf Drängen dieser Pfeife die Schule gewechselt hat oder sollte. Als die
    Klassenfahrt vorbei war, gab es dann ein Gruppengespräch mit den Streitschlichtern. Alle haben sich brav entschuldigt und
    ich hatte danach meine Ruhe. Selten kam noch ein blöder Kommentar, aber das ist in dem Alter auch normal.

    Ich habe erfolgreich meine Schule beendet und bin auf eine weiterführende Schule, habe mein Abitur gemacht, richtige,
    wahre Freunde gefunden und studiere jetzt. Ich war das letzte Mal vor 1 1/2 Jahren krank und habe sogar den Mut
    aufgebracht, mich vor einem Jahr zu verlieben. Es ist zwar nichts daraus geworden, aber das gehört auch zum Leben dazu.

    Es fällt mir schwer mir das selbst einzugestehen... Aber wenn meine Mutter nicht dieses eine Mal vor vielen Jahren gesagt
    hätte, dass sie durchdrehen und sich etwas antun würde, wenn einem ihrer Kinder etwas geschieht, hätte ich Schluss gemacht.
    In der 7., bevor ich online Kontakt gefunden hatte, dachte ich sehr oft daran. Plante. Aber ich konnte nicht das Leben
    meiner Mutter und meiner ganzen Familie zerstören, nur weil ich zu schwach war; mit meinem nicht klarkam.
    Jeder hat ja sein Päckchen zu tragen.
    Ich habe mich dann schuldig gefühlt, mich geschämt.
    Ich bin ja selber schuld an meiner Situation habe ich mir dann gedacht. Jetzt weiß ich, dass es nicht so ist!

    Du kannst nichts für deine Situation, kannst nichts dafür dass sie dich als Zielscheibe ausgesucht haben. Aber du kannst
    etwas dagegen unternehmen. Suche dir Menschen, denen du etwas bedeutest. Deine Familie, Freunde, Verwandte,
    oder suche Hilfe bei einer richtigen Beratungsstelle. Es mögen dort zwar Fremde sein, aber sie werden sich um dich kümmern.
    Je früher du etwas dagegen unternimmst, desto besser.



    Heute Morgen hat mich meine Mutter angelächelt, umarmt und gesagt:
    "Du strahlst richtig. Dir geht es richtig gut, nicht wahr?"
    Und ich konnte von ganzem Herzen sagen: Ja!

  • #2
    AW: Vom Schatten ins Licht

    wow ich wünschte ich könnte auch von so einem Happy End reden...

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    • #3
      AW: Vom Schatten ins Licht

      Ein Happy End existiert immer, man muss es nur finden
      Mein Youtubekanal: youtube.de/c/SuperExtreme Das Glück ist schon auf dem Weg zu dir.

      Kommentar


      • #4
        AW: Vom Schatten ins Licht

        Dein Beweggrund nicht mit dem Leben abzuschließen ist genauso wie meiner, nur das ich dazu noch die Verantwortung über 3 Haustiere dazuzählte.
        Die Leere die ich fühlte als ich 2 der besagten Haustiere verlor kann ich nichtmal in Worten fassen, insbesondere weil 'meine Mobber' sich über den Tod der einen sogar lustig machten, was noch ein wenig Öl ins Feuer triefen ließ. Vor ein paar Monaten sagte mir eine Freundin meiner Mutter auch das ich auf einmal "zu erblühen" schien.
        Test us with tests
        But the finals are never final
        Cause they never prepare us for the biggest test
        Which is survival

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        • #5
          AW: Vom Schatten ins Licht

          Hallo Ich muss sagen, deine Geschichte trifft bei mir auch in den meisten Punkten genauso zu ist doch immer dasselbe mit diesen Kindern... Nur wenn man nicht aufgibt kann man später umso stolzer auf sich sein Ich habe dazu nach 5 Jahren des Mobbings die Schule gewechselt und nun habe ich zahlreiche neue Leute gefunden, würde mich sogar als recht beliebt bezeichnen D jedoch danke ich meinen Mobbern, da ich ohne sie heute nicht so wäre wie ich bin. Durch sie habe ich auch gelernt, alleine durchzukommen

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          • #6
            AW: Vom Schatten ins Licht

            Irgendwie ist ja jeder selbst für sein Leben verantwortlich. Die Steine, die einem in den Weg gelegt werden, sind dafür da, dass sie weggeräumt werden. Es ist natürlich sehr nützlich, wenn man Vertraute um sich hat und seine Probleme nicht alleine meistern muss. Alleine zu reden oder überhaupt das Gefühl zu haben, es gibt Menschen, denen man vertrauen kann, gibt einem unglaublich viel Kraft und Stärke.

            Alleine ist immer alles viel schwieriger, aber dennoch zu schaffen.

            Micky

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