Hallo,
ich hätte nie gedacht, dass es ein Forum für Mobbingopfer gibt. Da ich den Austausch mit anderen brauche, die ähnliches erlebt haben, habe ich mich angemeldet. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne meine Geschichte erzählen.
Wo soll ich nur anfangen? Es tut so verdammt weh, daran zu denken, was ich ~ 12 Jahre zu verdrängen suchte (ich bin 22 Jahre alt). Den genauen Zeitpunkt, wann das Mobbing begann, weiß ich leider nicht mehr. Habe die Erinnerung wohl aus meinem Gedächtnis löschen wollen - mit Erfolg. Jedenfalls tut es verdammt weh, auch nur daran zu DENKEN und ich sage gleich, dass ich viele große Erinnerungslücken habe, weil ich bereits damals Dissoziationen hatte (ob das seit dem Mobbing begann oder früher, weiß ich nicht).
Körperliche Übergriffe musste ich zum Glück nie durchleiden, dafür jeden verdammten Tag verbale Angriffe - und was für welche! Angefangen hat es alles in der Grundschule. Ab welcher Klasse weiß ich nicht mehr. Erinnerungslücke, hallooo, da bist du ja... -.- Alles fing damit an, dass ein Mädchen namens Yvonne (Name geändert) und ein Junge namens Martin (Name ebenfalls geändert) beschlossen, mich ins Visier zu nehmen und fertigzumachen. Freunde hatte ich so gut wie keine und die wenigen, die mich mochten, sahen zu, wie ich fertig gemacht wurde. Ich habe gerade das Gefühl, alles was ich schreibe bzw. an das ich mich erinnere, nochmals durchleben zu müssen.
Yvonne übernahm den "Part", mich ab einer gewissen Klassenstufe runterzumachen (glaube ab der 2., bin mir aber absolut nicht sicher), vor den anderen, die nichts taten, sondern bloß zusahen. Martin hingegen drohte, mich zu schlagen. Oder hat er mich tatsächlich geschlagen? Ich weiß nicht mehr, ich weiß es einfach nicht mehr! Ich hatte panische Angst vor den beiden, fast schon Panikattacken würde ich sagen: schwitzige Hände, zugeschnürte Kehle, extremes Herzklopfen, das Gefühl nur noch schwer atmen zu können (glaube ich), ... So ging es Tag für Tag. Yvonne sah mich abfällig an und machte alles, was ich tat, mein Aussehen, alles einfach, schlecht. Martin unterstützte sie liebend gerne dabei. Zu jener Zeit begann ich damit, aus Frust Süßigkeiten zu essen, wodurch ich auch mollig wurde, was ich bis heute geblieben bin.
Ich kann mich auch noch an eine Lehrerin erinnern, die mich vor der gesamten Klasse zur Schnecke machte. Das Ganze war so, dass ich - in der erste Klasse, glaube ich - mit einer Freundin in der Pause fangen spielte und dabei löste sich ein Blatt Papier von der Pinnwand - hat es der Wind heruntergeweht? Hab ich es unabsichtlich gestreift? Die Antwort kenne ich nicht... -, was dazu führte, dass meine Klassenlehrerin mich nach der Pause mit Eisesblick anblickte und mit eisiger Stimme sagte, ich soll sofort in die Nebenklasse gehen. Ich tat es und die dortige Lehrerin blickte mich an (herablassend? abfällig? kalt? - auch diese Frage kann ich nicht benatworten) und meinte, ich solle warten, bis die ganze Klasse hier wäre. Ich stand bei der Tafel und sollte dort stehen bleiben. Kaum war jeder der anderen Schüler anwesend, meinte sie in einem Tonfall, den ich als gespielt freundlich einstufen würde, aber leider nicht mehr benennen kann: "Bist du hier zum Fensterputzen? Bist du hier zum _____ (schon wieder eine Erinnerungslücke)? Nein, du bist hier, weil du das Papier runter gerissen hast!" Dann machte sie mich so richtig runter und brachte mich (fast) zum Heulen. Ob ich nun wirklich geheult habe, weiß ich nicht, vermute aber ja. Jedenfalls bin ich ohnehin sehr nahe am Wasser gebaut und mehr brauchte sie nicht. Ich hatte von diesem Tag an auch vor ihr Panik.
Soweit meine (teilweisen) Erinnerungen an die Grundschulzeit.
Kommen wir nun zur Hauptschule. Da ging es von Tag eins weiter. Da meine Eltern über das Mobbing in der Grundschule herausfanden - ich selbst sagte jahrelang kein Wort, weil meine Kehle wie zugeschnürt war und weil ich wusste, dass alles nur noch schlimmer werden würde -, gaben sie mich in eine andere Hauptschule. Es gab nämlich zwei von der Sorte (keine Ahnung, ob das an anderen Orten bei uns in Österreich auch so ist). Das Problem war, dass die Kinder in der neuen Klasse sich alle seit vier Jahren kannten. Somit war ich von Anfang an ausgeschlossen.
Aufgrund meiner vorigen Erfahrungen war ich sehr vorsichtig, zurückhaltend, schüchtern und ängstlich. Ich sprach mit niemandem ein Wort. Einmal musste ich mit zwei Mädchen zusammenarbeiten. Eine lachte, da sie gefurzt hatte, und ich sah nur ernst drein, weil ich mit der Aufgabe weitermachen wollte. Von diesem Tag an ignorierte auch sie mich bzw. tat freundlich, wenn es nötig war.
Im Sportunterricht schloss ich mit einem Mädchen Freundschaft. Sie war die EINZIGE, die mich normal behandelte. Dachte ich zumindest. Hierzu schreibe ich später noch etwas.
Ich kann mich wirklich nicht mehr an viel erinnern, aber ich weiß, dass jeder Tag der absolute Horror war. Wieder brachte ich kein Wort über meine Lippen und hätte es auch gar nicht in Worte fassen können. Ich hatte Angst vor jedem Schüler und sehr oft Magenschmerzen, Kopfschmerzen und dergleichen. Meine Mam dachte, es habe keine besondere Ursache, sondern sei einfach nur der Stress. Trotzdem fuhr sie, nachdem das Kopfweh sehr lange anhielt, mit mir zu einem Psychiater, der mich als Baby von BNS-Epilepsie heilte (seit meinem 7. Lebensjahr brauche ich keine Medikamente mehr und vorher war ich schon anfallsfrei). Er verschrieb mir Kopfwehtabletten und glaubte wie meine Mutter, es sei der Schulstress. Oh ja, Stress hatte ich, aber seelischen! Meine Mam wusste aber nichts davon.
Ich begann in dieser Zeit mit SVV. Anfangs kratzte ich mir die Arme blutig und sagte meinen Eltern, die Katze sei es gewesen. Dann ging ich irgendwann zu Scheren über, als mir das Blutigkratzen nicht mehr genügte. Meine "Freundin" sah es (ich hatte all meinen Mut zusammengenommen und es ihr gezeigt, da ich Hilfe wollte) und meinte: "Das sieht ja aus wie von denen, die sich selbst verletzen!" Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Damals war mir noch gar nicht bewusst, was Selbstverletzendes Verhalten war. Alles was ich wusste war, dass es mir Erleichterung brachte und ich mich dadurch wieder spüren konnte.
Sport hasste ich. Oh, ich hasste dieses Fach mit einer unbeschreiblichen Intensität. Aufgrund der anderen. Viel weiß ich nicht, außer dass ich jedes Mal Angst hatte. Sie nannten mich nur beim Nachnamen, und das so richtig abfällig. Einmal mussten wir in Zweiergruppen etwas machen (Ball schießen oder so) und diejenige, die mir zugeteilt wurde, meinte "Ich will aber nicht mit der Behinderten!" Daraufhin sagte die Mathelehrerin, die an diesem Tag die Vertretung war, sie solle sich sofort entschuldigen. Daraufhin grinste das Mädchen lediglich. Nach dem Sportunterricht kam sie, starrte mich und meinte dann in einem total genervten Tonfall: "Jaaaa, tschuldigung -.-" Ich sagte "Macht nichts", total überrascht und erleichtert. Daraufhin lachte sie und äffte mich nach, ehe sie mit ihrer Freundin ging. Als meine Mathelehrerin mich fragte, als ich in meine Klasse gehen wollte und am Lehrerzimmer vorbeikam, ob sich das andere Mädchen, die den gleichen Vornamen wie ich hat, entschuldigte. Ich nickte und hatte Tränen in den Augen.
Einen Vorfall gab es noch im Sportunterricht. Wir mussten eine Wand entlang klettern und ich musste stehen bleiben, weil die Kinder vor mir nicht weiter gingen, und die Freundin jenes Mädchens, das vorhin vorkam, meinte: "Kletter weiter, oder ich hau dir eine runter". Natürlich habe ich diese Äußerung bitter ernst genommen und mir verzweifelt gedacht, wie soll ich denn weiterklettern, wenn es die Kinder vor mir nicht tun?
Einmal gab es einen Vortrag über Mobbing. Ich begann prompt zu weinen. Der Vortragende meinte, dass jedes Mal Kinder zu weinen begannen, die gemobbt wurden. Er reichte mir ein Taschentuch und fragte, ob alles okay sei. Wieder einmal log ich und nickte. Daher konnte er nichts tun und ihm blieb nichts anderes über, als nach dem Ende des Vortrages wieder zu gehen.
Ich glaube, mein Deutschlehrer hat etwas gemerkt, denn er hat mir gegenüber Andeutungen gemacht (glaube ich), ich blockte allerdings ab, weil ich panisch befürchtete, dass alles nur noch schlimmer würde und mir immer noch kein Wort über die Lippen kommen wollte. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, vermute aber, dass er in einer Deutschstunde, als ein Mädchen mich auslachte, etwas sagte, um mich in Schutz zu nehmen, woraufhin das Mädchen verstummte. Wie so oft weiß ich nicht mehr sicher, aber ich bin mir fast sicher, dass er mich eines Tages beim Heulen erwischte und fragte, ob alles okay sei. Vermutlich war das vor jener vorhin beschriebenen Deutschstunde. Keine Ahnung, ob das überhaupt war oder nur Wunschdenken von mir ist. Er war mein zweiter Lieblingslehrer.
Das waren meine lückenhaften Erinnerungen an die Hauptschulzeit.
Danach beschloss ich, eine weiterführende Schule zu machen - am liebsten eine, in die keines der Klassenkolleginnen und den Kindern der Nebenklasse ging. Da fiel meine Wahl auf eine berufsbildende höhere Schule: die Handelsakademie. Eine fünfjährige Schule mit Abi (oder, wie wir in Österreich sagen, Matura) als Abschluss. Leider Gottes war der Albtraum nicht zu Ende.
Ich war noch verschreckter als am Beginn der Hauptschule und blickte nur zu Boden. Als ich die Klasse betrat, meinte ein Mädchen: "Was, mit der sind wir in der Klasse? Na wäh!" (heißt so viel wie Igitt) Somit begann der Schultag schon mal *Ironie an*grandios*Ironie aus*. Ich wurde Martha oder Molly genannt, da ich mollig bin. Als eine Lehrerin ein Kennenlernspiel machte, fühlte ich mich mehr als unwohl und wollte sterben. Ich wollte einfach nur weg. Ich glaube, mein Todeswunsch begann in der Hauptschule. Ich kann mich noch erinnern. Damals wollte ich schon sterben. Jedenfalls ging es mit meinen Noten rapide bergab. Vorhin war meine schlechteste Note eine Drei gewesen, doch nun war ich auch eine Vierer- und Fünferkandidatin. Keiner der Lehrer fragte sich warum.
Der Gipfel der Frechheit war ja, als das Mädchen, das sich darüber beschwert hatte, mit mir in einer Klasse sein zu müssen, zu unserem Klassenlehrer meinte, ich und eine Freundin wollen uns nicht integrieren. Er meinte daraufhin, ja, Integration sei ihm sehr wichtig. Nach 1,5 Jahren hielt ich es nicht mehr aus und wechselte in die berufsbildende mittlere Schule; die Handelsschule. Dort wurde ich zum ersten Mal menschlich behandelt, war jedoch durch meine vorigen Erfahrungen so schwer geschädigt, dass ich jedem misstraute und Angst vor jedem hatte, auch wenn alle freundlich waren. Ich war davon überzeugt, diese Freundlichkeit nicht verdient zu haben.
In meinem Fall machte die Schule seelisch schwer krank. Es gab noch andere Faktoren, die zusammenspielten, dass ich mit 18 Jahren folgende Diagnosen bekam:
- schwere Borderlinestörung
- schwere Depressionen
- Angststörung
- Zwangsstörung
Ich habe vier Aufenthalte in einer Psychiatrie hinter mir, einen Klinikaufenthalt nach 1,5 Monaten abgebrochen, da ich von meiner Zimmerkollegin gemobbt wurde - diejenige, mit der ich anfangs im Zimmer war, bekam ein Einzelzimmer. Das Beste ist ja, dass ALLE, verdammt noch mal a l l e davon wussten, dass es zwischen mir und der anderen, zweiten Zimmernachbarin Probleme gab. Wer hat etwas dagegen unternommen? Richtig, NIEMAND! Jedenfalls komme ich sehr bald für ein paar Monate in eine andere Klinik. Am Montag habe ich das Aufnahmegespräch.
Entschuldigt bitte den langen Roman. Es war verdammt schwer, das alles niederzuschreiben, aber es tat gut, muss ich sagen.
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag und ganz viel Kraft!
Liebe Grüße
Lucinda
ich hätte nie gedacht, dass es ein Forum für Mobbingopfer gibt. Da ich den Austausch mit anderen brauche, die ähnliches erlebt haben, habe ich mich angemeldet. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne meine Geschichte erzählen.
Wo soll ich nur anfangen? Es tut so verdammt weh, daran zu denken, was ich ~ 12 Jahre zu verdrängen suchte (ich bin 22 Jahre alt). Den genauen Zeitpunkt, wann das Mobbing begann, weiß ich leider nicht mehr. Habe die Erinnerung wohl aus meinem Gedächtnis löschen wollen - mit Erfolg. Jedenfalls tut es verdammt weh, auch nur daran zu DENKEN und ich sage gleich, dass ich viele große Erinnerungslücken habe, weil ich bereits damals Dissoziationen hatte (ob das seit dem Mobbing begann oder früher, weiß ich nicht).
Körperliche Übergriffe musste ich zum Glück nie durchleiden, dafür jeden verdammten Tag verbale Angriffe - und was für welche! Angefangen hat es alles in der Grundschule. Ab welcher Klasse weiß ich nicht mehr. Erinnerungslücke, hallooo, da bist du ja... -.- Alles fing damit an, dass ein Mädchen namens Yvonne (Name geändert) und ein Junge namens Martin (Name ebenfalls geändert) beschlossen, mich ins Visier zu nehmen und fertigzumachen. Freunde hatte ich so gut wie keine und die wenigen, die mich mochten, sahen zu, wie ich fertig gemacht wurde. Ich habe gerade das Gefühl, alles was ich schreibe bzw. an das ich mich erinnere, nochmals durchleben zu müssen.
Yvonne übernahm den "Part", mich ab einer gewissen Klassenstufe runterzumachen (glaube ab der 2., bin mir aber absolut nicht sicher), vor den anderen, die nichts taten, sondern bloß zusahen. Martin hingegen drohte, mich zu schlagen. Oder hat er mich tatsächlich geschlagen? Ich weiß nicht mehr, ich weiß es einfach nicht mehr! Ich hatte panische Angst vor den beiden, fast schon Panikattacken würde ich sagen: schwitzige Hände, zugeschnürte Kehle, extremes Herzklopfen, das Gefühl nur noch schwer atmen zu können (glaube ich), ... So ging es Tag für Tag. Yvonne sah mich abfällig an und machte alles, was ich tat, mein Aussehen, alles einfach, schlecht. Martin unterstützte sie liebend gerne dabei. Zu jener Zeit begann ich damit, aus Frust Süßigkeiten zu essen, wodurch ich auch mollig wurde, was ich bis heute geblieben bin.
Ich kann mich auch noch an eine Lehrerin erinnern, die mich vor der gesamten Klasse zur Schnecke machte. Das Ganze war so, dass ich - in der erste Klasse, glaube ich - mit einer Freundin in der Pause fangen spielte und dabei löste sich ein Blatt Papier von der Pinnwand - hat es der Wind heruntergeweht? Hab ich es unabsichtlich gestreift? Die Antwort kenne ich nicht... -, was dazu führte, dass meine Klassenlehrerin mich nach der Pause mit Eisesblick anblickte und mit eisiger Stimme sagte, ich soll sofort in die Nebenklasse gehen. Ich tat es und die dortige Lehrerin blickte mich an (herablassend? abfällig? kalt? - auch diese Frage kann ich nicht benatworten) und meinte, ich solle warten, bis die ganze Klasse hier wäre. Ich stand bei der Tafel und sollte dort stehen bleiben. Kaum war jeder der anderen Schüler anwesend, meinte sie in einem Tonfall, den ich als gespielt freundlich einstufen würde, aber leider nicht mehr benennen kann: "Bist du hier zum Fensterputzen? Bist du hier zum _____ (schon wieder eine Erinnerungslücke)? Nein, du bist hier, weil du das Papier runter gerissen hast!" Dann machte sie mich so richtig runter und brachte mich (fast) zum Heulen. Ob ich nun wirklich geheult habe, weiß ich nicht, vermute aber ja. Jedenfalls bin ich ohnehin sehr nahe am Wasser gebaut und mehr brauchte sie nicht. Ich hatte von diesem Tag an auch vor ihr Panik.
Soweit meine (teilweisen) Erinnerungen an die Grundschulzeit.
Kommen wir nun zur Hauptschule. Da ging es von Tag eins weiter. Da meine Eltern über das Mobbing in der Grundschule herausfanden - ich selbst sagte jahrelang kein Wort, weil meine Kehle wie zugeschnürt war und weil ich wusste, dass alles nur noch schlimmer werden würde -, gaben sie mich in eine andere Hauptschule. Es gab nämlich zwei von der Sorte (keine Ahnung, ob das an anderen Orten bei uns in Österreich auch so ist). Das Problem war, dass die Kinder in der neuen Klasse sich alle seit vier Jahren kannten. Somit war ich von Anfang an ausgeschlossen.
Aufgrund meiner vorigen Erfahrungen war ich sehr vorsichtig, zurückhaltend, schüchtern und ängstlich. Ich sprach mit niemandem ein Wort. Einmal musste ich mit zwei Mädchen zusammenarbeiten. Eine lachte, da sie gefurzt hatte, und ich sah nur ernst drein, weil ich mit der Aufgabe weitermachen wollte. Von diesem Tag an ignorierte auch sie mich bzw. tat freundlich, wenn es nötig war.
Im Sportunterricht schloss ich mit einem Mädchen Freundschaft. Sie war die EINZIGE, die mich normal behandelte. Dachte ich zumindest. Hierzu schreibe ich später noch etwas.
Ich kann mich wirklich nicht mehr an viel erinnern, aber ich weiß, dass jeder Tag der absolute Horror war. Wieder brachte ich kein Wort über meine Lippen und hätte es auch gar nicht in Worte fassen können. Ich hatte Angst vor jedem Schüler und sehr oft Magenschmerzen, Kopfschmerzen und dergleichen. Meine Mam dachte, es habe keine besondere Ursache, sondern sei einfach nur der Stress. Trotzdem fuhr sie, nachdem das Kopfweh sehr lange anhielt, mit mir zu einem Psychiater, der mich als Baby von BNS-Epilepsie heilte (seit meinem 7. Lebensjahr brauche ich keine Medikamente mehr und vorher war ich schon anfallsfrei). Er verschrieb mir Kopfwehtabletten und glaubte wie meine Mutter, es sei der Schulstress. Oh ja, Stress hatte ich, aber seelischen! Meine Mam wusste aber nichts davon.
Ich begann in dieser Zeit mit SVV. Anfangs kratzte ich mir die Arme blutig und sagte meinen Eltern, die Katze sei es gewesen. Dann ging ich irgendwann zu Scheren über, als mir das Blutigkratzen nicht mehr genügte. Meine "Freundin" sah es (ich hatte all meinen Mut zusammengenommen und es ihr gezeigt, da ich Hilfe wollte) und meinte: "Das sieht ja aus wie von denen, die sich selbst verletzen!" Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Damals war mir noch gar nicht bewusst, was Selbstverletzendes Verhalten war. Alles was ich wusste war, dass es mir Erleichterung brachte und ich mich dadurch wieder spüren konnte.
Sport hasste ich. Oh, ich hasste dieses Fach mit einer unbeschreiblichen Intensität. Aufgrund der anderen. Viel weiß ich nicht, außer dass ich jedes Mal Angst hatte. Sie nannten mich nur beim Nachnamen, und das so richtig abfällig. Einmal mussten wir in Zweiergruppen etwas machen (Ball schießen oder so) und diejenige, die mir zugeteilt wurde, meinte "Ich will aber nicht mit der Behinderten!" Daraufhin sagte die Mathelehrerin, die an diesem Tag die Vertretung war, sie solle sich sofort entschuldigen. Daraufhin grinste das Mädchen lediglich. Nach dem Sportunterricht kam sie, starrte mich und meinte dann in einem total genervten Tonfall: "Jaaaa, tschuldigung -.-" Ich sagte "Macht nichts", total überrascht und erleichtert. Daraufhin lachte sie und äffte mich nach, ehe sie mit ihrer Freundin ging. Als meine Mathelehrerin mich fragte, als ich in meine Klasse gehen wollte und am Lehrerzimmer vorbeikam, ob sich das andere Mädchen, die den gleichen Vornamen wie ich hat, entschuldigte. Ich nickte und hatte Tränen in den Augen.
Einen Vorfall gab es noch im Sportunterricht. Wir mussten eine Wand entlang klettern und ich musste stehen bleiben, weil die Kinder vor mir nicht weiter gingen, und die Freundin jenes Mädchens, das vorhin vorkam, meinte: "Kletter weiter, oder ich hau dir eine runter". Natürlich habe ich diese Äußerung bitter ernst genommen und mir verzweifelt gedacht, wie soll ich denn weiterklettern, wenn es die Kinder vor mir nicht tun?
Einmal gab es einen Vortrag über Mobbing. Ich begann prompt zu weinen. Der Vortragende meinte, dass jedes Mal Kinder zu weinen begannen, die gemobbt wurden. Er reichte mir ein Taschentuch und fragte, ob alles okay sei. Wieder einmal log ich und nickte. Daher konnte er nichts tun und ihm blieb nichts anderes über, als nach dem Ende des Vortrages wieder zu gehen.
Ich glaube, mein Deutschlehrer hat etwas gemerkt, denn er hat mir gegenüber Andeutungen gemacht (glaube ich), ich blockte allerdings ab, weil ich panisch befürchtete, dass alles nur noch schlimmer würde und mir immer noch kein Wort über die Lippen kommen wollte. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, vermute aber, dass er in einer Deutschstunde, als ein Mädchen mich auslachte, etwas sagte, um mich in Schutz zu nehmen, woraufhin das Mädchen verstummte. Wie so oft weiß ich nicht mehr sicher, aber ich bin mir fast sicher, dass er mich eines Tages beim Heulen erwischte und fragte, ob alles okay sei. Vermutlich war das vor jener vorhin beschriebenen Deutschstunde. Keine Ahnung, ob das überhaupt war oder nur Wunschdenken von mir ist. Er war mein zweiter Lieblingslehrer.
Das waren meine lückenhaften Erinnerungen an die Hauptschulzeit.
Danach beschloss ich, eine weiterführende Schule zu machen - am liebsten eine, in die keines der Klassenkolleginnen und den Kindern der Nebenklasse ging. Da fiel meine Wahl auf eine berufsbildende höhere Schule: die Handelsakademie. Eine fünfjährige Schule mit Abi (oder, wie wir in Österreich sagen, Matura) als Abschluss. Leider Gottes war der Albtraum nicht zu Ende.
Ich war noch verschreckter als am Beginn der Hauptschule und blickte nur zu Boden. Als ich die Klasse betrat, meinte ein Mädchen: "Was, mit der sind wir in der Klasse? Na wäh!" (heißt so viel wie Igitt) Somit begann der Schultag schon mal *Ironie an*grandios*Ironie aus*. Ich wurde Martha oder Molly genannt, da ich mollig bin. Als eine Lehrerin ein Kennenlernspiel machte, fühlte ich mich mehr als unwohl und wollte sterben. Ich wollte einfach nur weg. Ich glaube, mein Todeswunsch begann in der Hauptschule. Ich kann mich noch erinnern. Damals wollte ich schon sterben. Jedenfalls ging es mit meinen Noten rapide bergab. Vorhin war meine schlechteste Note eine Drei gewesen, doch nun war ich auch eine Vierer- und Fünferkandidatin. Keiner der Lehrer fragte sich warum.
Der Gipfel der Frechheit war ja, als das Mädchen, das sich darüber beschwert hatte, mit mir in einer Klasse sein zu müssen, zu unserem Klassenlehrer meinte, ich und eine Freundin wollen uns nicht integrieren. Er meinte daraufhin, ja, Integration sei ihm sehr wichtig. Nach 1,5 Jahren hielt ich es nicht mehr aus und wechselte in die berufsbildende mittlere Schule; die Handelsschule. Dort wurde ich zum ersten Mal menschlich behandelt, war jedoch durch meine vorigen Erfahrungen so schwer geschädigt, dass ich jedem misstraute und Angst vor jedem hatte, auch wenn alle freundlich waren. Ich war davon überzeugt, diese Freundlichkeit nicht verdient zu haben.
In meinem Fall machte die Schule seelisch schwer krank. Es gab noch andere Faktoren, die zusammenspielten, dass ich mit 18 Jahren folgende Diagnosen bekam:
- schwere Borderlinestörung
- schwere Depressionen
- Angststörung
- Zwangsstörung
Ich habe vier Aufenthalte in einer Psychiatrie hinter mir, einen Klinikaufenthalt nach 1,5 Monaten abgebrochen, da ich von meiner Zimmerkollegin gemobbt wurde - diejenige, mit der ich anfangs im Zimmer war, bekam ein Einzelzimmer. Das Beste ist ja, dass ALLE, verdammt noch mal a l l e davon wussten, dass es zwischen mir und der anderen, zweiten Zimmernachbarin Probleme gab. Wer hat etwas dagegen unternommen? Richtig, NIEMAND! Jedenfalls komme ich sehr bald für ein paar Monate in eine andere Klinik. Am Montag habe ich das Aufnahmegespräch.
Entschuldigt bitte den langen Roman. Es war verdammt schwer, das alles niederzuschreiben, aber es tat gut, muss ich sagen.
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag und ganz viel Kraft!
Liebe Grüße
Lucinda
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